Inhalt: Henry Neff liebt seinen Job im Fundbüro des Hauptbahnhofs. Statt wie seine Altersgenossen den beruflichen Aufstieg in Angriff zu nehmen, genießt er die Begegnungen mit Menschen, das Verlieren und Finden, die Nische im Trubel. Doch eines Tages wird er gezwungen, die Augen zu öffnen und zu handeln. Systematik: $L-G Umfang: 335 S. Standort: $L Lenz ISBN: 978-3-455-04280-1
Fünfzig Klassiker-Romane des 20. Jahrhunderts Garp und wie er die Welt sah Roman Rowohlt Taschenbuchverlag, Reinbek (1991)
Standort: $L-G Irving / Taschenbuchständer
Inhalt: Der Roman um das Leben des Schriftstellers T. S. Garp und seine feministische Mutter Jenny Fields wurde ein Weltbestseller und begründete den anhaltenden Erfolg des Autors John Irving, der sich hier als einer der großen zeitgenössischen Erzähler Amerikas bewies. Inhalt: Das Leben des Titelhelden beginnt außergewöhnlich. Die pragmatische Krankenschwester Jenny Fields will ein Kind, aber keinen Mann. Also nutzt sie die Erektion des im Zweiten Weltkrieg schwer verwundeten Bordschützen Garp für ihre Zwecke und gibt dessen Namen an ihren so gezeugten Sohn weiter. Als dieser schulpflichtig wird, nimmt sie eine Stelle als Krankenschwester in der für ihn vorgesehenen Schule in New Hampshire an. Gegen Ende der Schulzeit verliebt sich Garp in Helen Holm, die Tochter seines Ringkampftrainers. Sie bestärkt ihn in seinem Wunsch, Schriftsteller zu werden, doch muss Garp erkennen, dass es ihm noch an der notwendigen Lebenserfahrung mangelt. Also reist er nach Europa und macht in Wien einige Erfahrungen, die ihn zum Schriftsteller reifen lassen; er schreibt seine erste gelungene Geschichte. Doch auch die mitgereiste Mutter hat ein Buch geschrieben - ihre Autobiografie mit dem Titel »Eine sexuell Verdächtige« hat durchschlagenden Erfolg und macht sie zur Leitfigur der Frauenbewegung. Garp gründet nach seiner Rückkehr aus Europa mit Helen eine Familie, die Söhne Walt und Duncan werden geboren. Beruflich kann er sich als Autor etablieren. Garp könnte ein harmonisches Leben führen, wäre da nicht die ständige Konfrontation mit dem Ruhm seiner Mutter sowie die Auseinandersetzung mit den »Ellen-Jamesianerinnen«, einer Gruppe von Feministinnen, die sich aus Solidarität mit einer als Kind Vergewaltigten die Zunge abschneiden. Unterstützung findet Garp bei seinem langjährigen Freund Roberta, einem transsexuellen ehemaligen Footballspieler. Garps Familienleben wird jäh zerstört, als sich ein Unfall ereignet, bei dem Walt stirbt, Duncan ein Auge einbüßt, Helens Liebhaber seinen Penis verliert und Garp einen Kieferbruch davonträgt. Die Ehe mit Helen gerät in eine tiefe Krise, die erst durch die Geburt der Tochter Jenny überwunden wird. Als Helens Vater stirbt, übernimmt Garp dessen Posten als Ringkampftrainer; nach der Ermordung seiner Mutter setzt er sich für ihre feministischen Ziele ein. Im Alter von 33 Jahren wird er beim Ringkampfunterricht von einer Ellen-Jamesianerin, einer ehemaligen Bekannten, getötet. Struktur: Der Roman vereinigt alle typischen Elemente von Irvings Erzählen - den tragikomischen Ton, groteske Elemente, skurrile Charaktere, die gewaltsame Zerstörung eines harmonischen Familien- und Berufslebens, den Bruch gesellschaftlicher Tabus und schließlich den Schriftsteller als Protagonisten der Handlung. Wirkung: Der Roman wurde nicht zuletzt durch einen intensiven Werbefeldzug zum Bestseller. Die Verfilmung gleichen Titels von 1982 mit Robin Williams und Glenn Close in den Hauptrollen leistete dem großen Erfolg weiteren Vorschub.
Es geht um das Leben von Garp, Sohn einer Schul-Krankenschwester. Er ist an der Schule eine Art Underdog. Bestätigung kriegt er, da er ein guter Ringer ist. Er verliebt sich in die Tochter seines Trainers, die aber nur einen Schriftsteller heiraten will. Also wird er Schriftsteller. Doof, dass seine Mutter auch schreiben will und mit ihrer Autobiographie eine Ikone aller Feministinnen wird. Garp schreibt weiter, heiratet seine Jugendfreundin, kriegt Kinder, es gibt Affären, Tode, Verletzungen, Alltag und aberwitzige Wendungen.
Bayern1-Tipp von Ulla Müller Systematik: $L-G Umfang: 634 S. Standort: $L-G Irving / Taschenbuchständer ISBN: 978-3-499-15042-5
Fünfzig Klassiker-Romane des 20. Jahrhunderts Ansichten eines Clowns Roman Deutscher Taschenbuch Verlag, München (1985)
Standort: $L Boel / Taschenbuchständer
Inhalt: Mit dem Roman Das siebte Kreuz , der den Untertitel Roman aus Hitlerdeutschland trägt, legte Seghers die Lebensverhältnisse unter dem Nationalsozialismus und dessen ideologische Wurzeln bloß. Als Ursache des Zerfalls der deutschen Kulturnation sah sie die ungehemmte, vom Faschismus gesteuerte Freisetzung des menschlichen Urtriebs, die Durchsetzung persönlicher Interessen über das Wohl und die Rechte der Mitmenschen zu stellen. Der inhumanen, auf Verrat und Unterdrückung beruhenden Gegenwart hält Seghers die ermutigende Kernaussage ihres Romans entgegen, dass der ungebrochene Widerstand weniger dauerhaft die Aussicht auf den Anbruch einer friedvollen, gerechten Zukunft zu sichern vermag. Inhalt: Im Zentrum des 1937 spielenden Romans steht die Flucht von sieben Häftlingen aus einem deutschen Konzentrationslager. Sechs der Häftlinge werden im Lauf der sieben Tage umspannenden Handlung zu Tode gejagt oder gefangen. Im Lager stellt der KZ-Kommandant die Opfer an eigens errichteten »Kreuzen« zur Schau. Nur die Hauptfigur Georg Heisler, der siebte Flüchtling, kann den Verfolgern entkommen. Die Flucht ins Ausland gelingt dank der Hilfe von Freunden, Familienmitgliedern und Zufallsbekanntschaften, deren Lebensumstände und Beweggründe - wie die der Häscher und Mitläufer des Regimes - in zahlreichen mit der Rahmenhandlung verwobenen Episoden mitgeteilt werden. Widerstand und Zivilcourage führen dazu, dass das siebte, für Heisler bestimmte Kreuz am Ende leer bleibt und zu einem Symbol der Hoffnung auf Frieden und Gerechtigkeit wird. Aufbau: Seghers' Gestaltungsverfahren dient der kritischen Darstellung der nationalsozialistischen Gesellschaftsstruktur. Zugleich sollen die Möglichkeiten, Voraussetzungen und Ziele für eine geistig-politische Erneuerung Deutschlands ausgelotet werden. Als wichtiges Mittel verwendet die Autorin eine psychologisch exakte Kontrasttechnik bei der Figurengestaltung: Komplexe Beschreibungen der Täter und Mitläufer stehen vielschichtigen Charakterporträts der Verfolgten und Fluchthelfer gegenüber. Seghers verzichtet dabei auf ein eindimensionales Gut-Böse-Schema; jede Romanfigur wird in ihren individual-psychologischen, nicht durchgängig positiven oder negativen Merkmalen und Motiven gezeigt. Die Erkenntnis, dass vom Überleben der Flüchtlinge alle Hoffnung auf eine humanere Zukunft abhängt, hebt Seghers mithilfe christlich-religiöser Symbole und Motive hervor. Besonders prägnant tritt dieses Erzählmittel im Leitmotiv der traditionell als heilig erachteten Zahl Sieben zutage: Nur der siebte Häftling Heisler überlebt die siebentägige, in sieben Romankapiteln berichtete Flucht; das letzte der titelgebenden »Sieben Kreuze« bleibt leer. Die spannende Fluchtgeschichte offenbart sich als Fort- bzw. Neuschreibung der Leidensgeschichte Christi; die Rettung seines weltlichen »Wiedergängers« Heisler symbolisiert die Sicherung der menschlichen Zivilisation. Wirkung: Das siebte Kreuz gehört zu den international erfolgreichsten, früh in viele Sprachen übersetzten Bestsellern der Exilliteratur (Verfilmung: USA 1944; Regie: Fred Zinnemann). Nach 1945 trug der viel gelesene, in Ost und West kontrovers diskutierte Roman zur Aufklärung über den Nationalsozialismus und seine Ursachen bei. Das siebte Kreuz hatte auch weit reichenden Einfluss auf das literarische Programm des sozialistischen Realismus. T. S. Schlagworte:Krieg Systematik: $L-G Umfang: 452 S. Standort: $L Segh
Inhalt: Klaus Manns Mephisto, der den Zusatztitel Roman einer Karriere trägt, setzt sich in einzigartiger Weise mit der Position des Künstlers zur Zeit des deutschen Nationalsozialismus auseinander. Mit seinem Protagonisten Hendrik Höfgen führt Mann einen von übersteigertem Ehrgeiz getriebenen Schauspieler vor, der um seiner Karriere willen einen Pakt mit dem Bösen eingeht. Darüber hinaus entwirft der Autor ein Bild von der Situation der exilierten Intellektuellen. Mephisto ist als Künstler- und Zeitroman und nicht zuletzt auch als Schlüsselroman lesbar. Er wird als wichtiges Dokument der Exilliteratur gewertet. Entstehung: Unterstützt vom Amsterdamer Querido Verlag nahm Mann den Vorschlag seines Kollegen Hermann Kesten (1900-96) auf, eine politische Satire über Gustaf Gründgens (1899-1963), Schauspieler und Intendant des Berliner Staatsschauspiels, zu schreiben. Ehemals mit Gründgens befreundet, beobachtete Mann dessen Werdegang seit Jahren mit einer Mischung aus Faszination und Hass. Obwohl Mann - auch um den Blick auf die literarische Dimension des Werkes zu richten - stets betonte, die Personen des Romans stellten Typen und nicht Porträts dar, ist die Orientierung an außerliterarischen Vorbildern unverkennbar. Inhalt: Im Jahr 1936 beginnend, zeigt der Roman Höfgen als umjubelten Günstling des nationalsozialistischen Regimes auf der Geburtstagsfeier des preußischen Ministerpräsidenten. Retrospektiv wird die Geschichte dieser Karriere nachgezeichnet. Nach schauspielerischen Erfolgen in Hamburg bekommt Höfgen Ende der 1920er Jahre ein erstes Engagement am Berliner Staatstheater. Seine Bekanntheit steigert sich stetig und in der Rolle des Mephisto wird er zum Star. Zum Zeitpunkt der Machtergreifung befindet sich Höfgen im Ausland und befürchtet zunächst wegen seiner ehemaligen Mitarbeit in einem kommunistischen Kabarett nicht nach Deutschland zurückkehren zu können. Durch die Fürsprache einer Kollegin erlangt Höfgen dann aber das Wohlwollen des Ministerpräsidenten und setzt seine Arbeit in Berlin fort. Seine vitale Darstellung der mephistotelischen Figur wird für die Nationalsozialisten zu einer faszinierenden, ästhetisch überhöhten Darstellung des Bösen. Die eigene Situation klar reflektierend, erreicht Höfgen mit der Ernennung zum Intendanten und Staatsrat einen neuen Höhepunkt seiner Karriere. Ganz mit der Sorge um sein selbst empfundenes schauspielerisches Versagen in der Rolle des Hamlet beschäftigt, lehnt er am Ende des Romans in der Konfrontation mit einem kommunistischen Widerstandskämpfer jede politische Verantwortung ab und zieht sich voller Selbstmitleid auf seine Position als »gewöhnlicher Schauspieler« zurück. Wirkung: Der während des Dritten Reichs verbotene Roman wurde nach Kriegsende von westdeutschen Verlagen aus Angst vor dem Prozessrisiko abgelehnt. Als das Buch mit kleinen Veränderungen 1956 im Ostberliner Aufbau-Verlag erschien, versuchte Gründgens, der nach kurzer Inhaftierung bereits seit 1947 wieder eine Intendantenposition innehatte, den Verkauf in der Bundesrepublik zu behindern. 1963 gab die Nymphenburger Verlagshandlung Mephisto heraus, nachdem eine Klage von Gründgens' Adoptivsohn Peter Gorski zunächst abgewiesen wurde. 1966 wurde die Verbreitung des Romans gerichtlich verboten. Während im Ausland Übersetzungen erschienen, kursierte in Westdeutschland nur ein Raubdruck des Romans. Als er 1981 bei Rowohlt als Taschenbuch verlegt wurde, blieb eine erneute Klage aus und Mephisto führte monatelang die Bestsellerlisten an. Im selben Jahr wurde die Verfilmung von István Szabó mit Klaus Maria Brandauer in Cannes mehrfach preisgekrönt und erhielt einen Oscar für den besten fremdsprachigen Film. 1979 hatte Ariane Mnouchkine mit dem Théâtre du Soleil bereits eine Bühnenfassung erarbeitet. A. K. Systematik: $L-G Umfang: 398 S. Standort: $L Mann
Inhalt: Mit seinem Debütroman Das Parfum, einer Kriminalgeschichte über einen Mörder im Frankreich des 18. Jahrhunderts, die zugleich ein Sittengemälde seiner Zeit entwirft, erzielte Patrick Süskind binnen weniger Jahre eine Millionenauflage. Neben der spannend erzählten Geschichte ist Süskinds Verwendung verschiedener literarischer Stile aus unterschiedlichen Epochen sowie seine intertextuellen Bezüge eine Besonderheit des Buchs, das es zu einem typischen Werk der Postmoderne macht. Inhalt: Jean-Baptiste Grenouille wird 1738 als unehelicher Sohn einer Fischverkäuferin geboren; er überlebt den versuchten Kindsmord seiner Mutter und das entbehrungsreiche Leben als Kostkind sowie die Zeit als Hilfskraft bei einem Gerber, wo er lebensgefährliche Arbeiten verrichten muss. Ausgestattet mit einem absoluten Geruchssinn, ist er selbst jedoch ohne Geruch. »Sie konnten ihn nicht riechen. Sie hatten Angst vor ihm.« Als Mensch ohne Geruch zum Außenseiter verurteilt, erschließt er sich die Welt von Gerüchen und Düften, die er förmlich in sich aufsaugt. So folgt Grenouille über mehrere Pariser Stadtviertel dem Duft eines jungen schönen Mädchens, das er schließlich tötet, um ihren Duft in allen Feinheiten in sich aufzunehmen. Grenouille erkennt seine Begabung und beschließt, der größte Parfumeur aller Zeiten zu werden. In einer Lehre erwirbt er die Fähigkeit, Düfte zu gewinnen und haltbar zu machen. Erst mit 25 Jahren wird ihm seine eigene Geruchsslosigkeit bewusst und so entwickelt er verschiedene Menschendüfte, die er anwendet, um unerkannt zu leben und seinem Ziel näher zu kommen. Im französischen Parfumzentrum Grasse tötet Grenouille 25 junge schöne Frauen, um ihren Duft zu konservieren. Ihr Duft bewahrt den überführten Mörder vor der Todesstrafe, am Tag der Hinrichtung erscheint er den Menschen in seiner Duftmaske nicht mehr als das hässliche Scheusal, sondern als überaus liebenswerter Mensch: »Er hatte sich eine Aura erschaffen, strahlender und wirkungsvoller, als sie je ein Mensch vor ihm besaß. Und er verdankte sie niemandem ... als einzig sich selbst. Er war in der Tat sein eigener Gott, und ein herrlicherer Gott als jener weihrauchstinkende Gott, der in den Kirchen hauste.« Der größte Triumph seines Lebens, Macht über andere zu gewinnen und von ihnen geliebt zu werden, bedeutet Grenouille jedoch nichts. Er kehrt nach Paris zurück, wo er sich von Dieben, Mördern und Huren auf dem Cimetière des Innocents, seiner Geburtsstätte, ermorden lässt: Die Begierde, an seinem überwältigenden Duft teilzuhaben ist so groß, dass sie ihn verschlingen. Wirkung: Als literarische Sensation gefeiert, ist der Roman eine Verbindung von ernsthafter und unterhaltender Literatur und zählt zu den meistverkauften Büchern der deutschen Nachkriegszeit. Der Roman erreichte eine Weltauflage von über sechs Millionen Exemplaren und wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt. P. Z.
Klassiker und Verkaufsknaller der Achtziger. Und das mit Recht. Mann ohne Eigengeruch, aber mit übermenschlichem Geruchssinn, geht auf der Jagd nach dem perfekten Parfüm über Leichen. Grausame Geschichte, große Sprachkunst mit Tiefgang. Aber ohne Überforderung. Und man denkt danach über Gerüche nach, was die in uns machen, was wir nicht ausstehen können, was wir lieben. Ich den Geruch von frisch gemähtem Gras.
Bayern1-Tipp von Ulla Müller Systematik: $L-G Umfang: 316 S. Standort: $L Sues
Fünfzig Klassiker-Romane des 20. Jahrhunderts Zeno Cosini Roman Rowohlt Taschenbuchverl., Reinbek bei Hamburg (2000)
Standort: $L Svevo / Taschenbuchständer
Inhalt: Zeno Cosini, die Geschichte eines Durchschnittsbürgers, gilt als erster psychologischer Roman der italienischen Literatur. Der doppelsinnige Begriff »coscienza« im Originaltitel verweist auf unterschiedliche (Be-) Deutungsebenen des Romans, da er sowohl mit »Bewusstsein«, »Gewissen«, »Erkenntnis« oder auch mit »Bekenntnis« übersetzt werden kann. Inhalt: Der 57-jährige Zeno Cosini ist so verstrickt in die mannigfachen Möglichkeiten der Selbst- und Fremdtäuschung, dass er der Wahrheit nur durch einzelne Spurensuche näher zu kommen vermag. Auf Anraten seines Psychiaters und im Interesse der eigenen Heilung schreibt er seine Erinnerungen aus großer zeitlicher Distanz nieder. Die Aufzeichnungen des alten Zeno entwerfen vom jüngeren das Bild eines begüterten Zwangsneurotikers, zu dessen zentralen Problemen die »letzte« Zigarette und andere Laster gehören. Sie markieren Bedeutung in einem Leben, das den Zwängen der Existenzsicherung weitgehend enthoben und damit auch einem Mangel an Erfahrungsräumen ausgesetzt ist. Diesen kompensiert Zeno durch ein Übermaß an Reflexion. So wie er über den Gedanken an die 54 Muskeln, die zur Bewegung des Fußes notwendig sind, ins Straucheln gerät, hindern ihn bloße Vorstellungen daran, das Sterben des Vaters angemessen wahrzunehmen und ihm beizustehen. Also erhält er von diesem in letzter Sekunde eine Ohrfeige und bald darauf das Ja-Wort derjenigen Schwester von vieren, der er zuallerletzt einen Heiratsantrag machen wollte, woraus er das Recht ableitet, der Braut in der Hochzeitsnacht seine Gleichgültigkeit zu bekunden. Während diese Niedertracht für die Ehe keine negativen Konsequenzen zeitigt, tragen die dem erfolgreicheren Schwager im Namen von Unterstützung und Hilfe zugefügten Unterlassungssünden zu dessen Tod bei. Als groteske, aber einleuchtende Folge uneigentlichen Lebens erscheint auch Zenos überraschende Gesundung im Ersten Weltkrieg, nachdem es ihm gelungen ist, als Spekulant und Kriegsgewinnler von den Kämpfen der anderen zu profitieren. Aufbau: Die am »umorismo« von Luigi R Pirandello geschulten Perspektiven auf die grotesken Folgen neurotischen Lebens ergeben sich aus den Brüchen in der Darstellung des alten Zeno. Therapie und Autobiografie werden so gegeneinander ausgespielt; die Schrift fungiert als ordnende Instanz, die bei Sigmund R Freud dem Analytiker zukommt, und kann daher auch weitgehend auf diesen verzichten. Entsprechend kurz gehalten ist das Vorwort des Psychiaters, der als Motiv für die Publikation der intimen Aufzeichnungen seines Patienten Rache für die abgebrochene Therapie angibt und die Hoffnung auf Entschädigung durchblicken lässt. Mit dieser verächtlichen Einschätzung des Arztes korrespondiert das Nachwort. Unter dem Titel Psychoanalyse entäußert sich der am Krieg gesundete Patient hier einer Polemik gegen Arzt und Methode, die ein Musterbeispiel für die freudschen Theorien der Verdrängung und Übertragung abgibt. Der gesamte Text oszilliert zwischen Würdigung von und Polemik gegen die Psychoanalyse. Er lotete erstmals die Bedeutung und Anwendbarkeit der Erkenntnisse Freuds für die und in der Literatur aus. Wirkung: Ignoranz und Aggression bestimmten über Jahrzehnte die italienischen Reaktionen auf das Werk von Svevo. Zu den möglichen Gründen für das Schweigen seiner Landsleute gehörte neben den Schwierigkeiten des Autors mit dem Italienischen - er sprach Triestiner Dialekt - möglicherweise auch das Pseudonym, das im Kontext des Irredentismus als Provokation erscheinen musste. Benjamin Crémieux´ Einleitung im Heft der Zeitschrift Le Navir d´Argent von 1926, das zum größten Teil Svevo gewidmet war, löste gereizte Reaktionen aus: Auch von einem französischen Kenner ihrer Literatur wollten sich die Italiener nicht darüber belehren lassen, wer zu ihren besten Autoren gehört. Die auch kriegsbedingt verzögerte Rezeption des Werks setzte in Italien erst Ende der 1950er Jahre mit der Herausgabe des Gesamtwerks ein und hält dort wie im übrigen Europa noch heute an. Die jüngste Neuübersetzung ins Deutsche (2000) belegt die Aktualität eines Autors, der sich der literarischen Umsetzung jenes schmalen Grads zwischen Bewusstwerdung und Verdrängung widmete. H. K. Systematik: $L-G Umfang: 634 S. Standort: $L Svevo / Taschenbuchständer ISBN: 978-3-499-13485-2
Inhalt: Nach dem Tod seiner Frau reist der britische Drehbuchautor Beard Hals über Kopf nach Rom und gerät dort in zahlreiche keine, auch erotische Abenteuer. Eine lästerhaft-frivole, zuweilen bissig-satirische Mischung aus Gesellschafts- und Liebesroman.
Aus d. Engl. übers. Systematik: $L-G Umfang: 222 S. Standort: $L Burg ISBN: 978-3-608-93519-6
Inhalt: Das Monumentalwerk Die Enden der Parabel von Thomas Pynchon, das auf über 1000 Seiten mehr als 400 Personen und zahllose Handlungsstränge umfasst, gehört mit seiner stilistischen Virtuosität und enzyklopädischen Dichte zu den bedeutenden Romanen der Postmoderne und des 20. Jahrhunderts. Inhalt: Zentrale Themen des Werks sind Paranoia, Entropie (nach Isaac Newton die Tendenz des Universums, in einen Zustand von Unordnung und Stillstand zu degenerieren) und Todessehnsucht als die primären Zerfallskräfte der Zeit. Die Haupthandlung, um die sich zahlreiche Nebenhandlungen ranken, spielt in den Jahren 1944/45; das Objekt allgemeinen Interesses ist die Todesrakete V-2. Der US-Soldat Tyrone Slothrop wird zum Spürhund und Spielball der konkurrierenden Geheimdienste, als man feststellt, dass er beim Herannahen von V-2-Raketen Erektionen bekommt. Wie er später herausfindet, hatte ihn ein deutscher Wissenschaftler als Säugling auf einen vom IG-Farben-Konzern entwickelten Stoff konditioniert, der auch in der V-2-Rakete enthalten ist. Slothrop begibt sich selbst auf die Suche nach der Rakete. Er flieht aus London in die Schweiz und kommt schließlich nach Deutschland in das V-2-Werk in Nordhausen. Hier trifft er auf Oberst Enzian, der eine Truppe afrikanischer Hereros befehligt, die im Raketenbau eingesetzt werden. Bei seiner Flucht, auf der er u. a. der Potsdamer Konferenz beiwohnt, die Berliner Drogenszene kennen lernt und mit einer Gruppe nationalsozialistischer Mitläufer auf einer Yacht durch die Ostsee fährt, wechselt er immer wieder die Identität und verliert sich allmählich als Person. Dieser Prozess endet in einer Art mystischer Vereinigung mit der Natur, als er sich beim Betrachten eines Regenbogens physisch vollständig auflöst. Aufbau: Als eine Art Klammer des Romans fungiert der Abschuss einer Rakete in den Niederlanden, mit der die Handlung einsetzt, und ihr unmittelbar bevorstehender Einschlag in einem Kino in Kalifornien (in dem auch die Leser des Romans sitzen), womit der Roman endet. Der über weite Strecken pikarische Roman wechselt ständig die Perspektive und verweigert sich konsequent konventioneller Zeitgestaltung und Erzählmuster. Dem Leser wird so das Gefühl vermittelt, in das System der Bedrohungen verstrickt zu sein. Wie in allen seinen Romanen kehrt Pynchon das Prinzip üblicher Handlungsromane um: Anstatt den Handlungsknoten zu lösen, knüpft er ihn immer enger, Figuren und Handlung werden immer rätselhafter. Wirkung: Zunächst als unlesbar und obszön kritisiert, erkannte die Kritik schon bald nach Erscheinen des Romans seine überragenden Qualitäten. Das avantgardistische Werk, das oftmals mit Ulysses (1922) von James R Joyce verglichen wurde, erhielt 1974 den National Book Award. D. M. Systematik: $L-G Umfang: 1193 S. Standort: $L Pynch ISBN: 978-3-498-09332-7
Inhalt: Jurek Beckers Erstlingsroman, in den persönliche Erfahrungen einflossen, gehört zu den gelungenen Versuchen, das Grauen der Judenvernichtung während des Zweiten Weltkriegs literarisch zu verarbeiten. Becker selbst wuchs im Warschauer Ghetto sowie in den Konzentrationslagern von Ravensbrück und Sachsenhausen auf. Von 1960 bis 1977 lebte Becker, der erst nach 1945 Deutsch lernte, in Ostberlin, wo auch der Roman entstand. Inhalt: Der Ich-Erzähler, Überlebender eines polnischen Ghettos, schildert die Geschichte des Ghettobewohners Jakob Heym, der durch Zufall im deutschen Polizeirevier aus dem Radio Satzfetzen einer Meldung vernimmt, die fortan das Leben im Ghetto verändern sollte: »In einer erbitterten Abwehrschlacht gelang es unseren heldenhaft kämpfenden Truppen, den bolschewistischen Angriff 20 km vor Bezanika zum Stehen zu bringen.« Jakob kennt diesen Ort nur vom Hörensagen, doch weiß er, dass Bezanika nicht sehr weit vom Ghetto entfernt liegt. Gleichzeitig wird ihm bewusst, dass diese Nachricht den Ghettobewohnern einen konkreten Anlass zum Durchhalten und Weiterleben geben würde, denn mit dem sowjetischen Vormarsch näherte sich auch die Befreiung. Um die Glaubwürdigkeit seiner Informationen zu erhöhen, behauptet Jakob, selbst über ein Radio zu verfügen, dessen Besitz streng verboten ist. Durch die Notlüge gerät er unversehens in die Zwangslage, ständig neue Nachrichten erfinden zu müssen; sein Lügengewebe führt zu tragikomischen Situationen und das technische Medium wird zum Symbol von Verheißung und Gefahr. Einerseits schöpfen die Ghettobewohner wieder Hoffnung; sie schmieden Pläne, die Selbstmordrate ist rückläufig. Andererseits befürchten einige seiner Leidensgenossen, dass die Entdeckung des Radios durch die deutschen Besatzer letztlich alle gefährden könne. Jakob tritt seinen Kritikern entgegen, indem er die Wahrheit enthüllt, doch sein Eingeständnis wird nicht erkannt. Als die Lügen seine Kräfte zu übersteigen beginnen, vertraut er sich seinem Freund Kowalski an, der mit dem Geständnis scheinbar gleichgültig umgeht, in der Nacht aber Selbstmord begeht. Jakob begreift, dass er seine Leidensgenossen weiterhin mit Informationen über die bevorstehende Befreiung versorgen muss, doch schon am darauf folgenden Tag werden die Ghettobewohner ins Konzentrationslager abtransportiert. Der Roman bietet dem Leser zwei Schlüsse an: Das »blasswangige und verdrießliche, das wirkliche und einfallslose Ende« schildert den Abtransport aller Ghettobewohner. Doch gegen diesen Schluss erfindet sich der Erzähler ein hoffnungsvolles Ende aus eigener Fantasie: Zwar stirbt Jakob, der Lügner, bei seinem Fluchtversuch, aber das Ghetto wird von den russischen Truppen befreit. Wirkung: Die außergewöhnliche Leistung des Romans liegt in seiner unpathetischen Darstellungsweise. Becker erzählt mit distanzierter Ironie vom Alltag der Ghettobewohner und verdeutlicht umso mehr Schrecken und Irrwitz der Situation im von Deutschen besetzten Polen. Der Roman wurde 1974 in der DDR verfilmt (Regie: Frank Beyer; Titelrolle: Vlastimil Brodsky); 1999 folgte eine weitere Verfilmung mit Robin Williams in der Hauptrolle (USA, Regie: Peter Kassovitz). J. R. Schlagworte:Belletristische Darstellung, Bialowiezer Nationalpark, Deportation, Europäische Union, Geschichte 1942-1943, Ghetto, Judenverfolgung, Polen, Warschau Systematik: $L-G Umfang: 326 S. Standort: $L Beck
Programm Findus Internet-OPAC findus.pl V20.235/8 auf Server windhund2.findus-internet-opac.de,
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